In der klassischen Standortanalyse dominieren bis heute die sogenannten harten Standortfaktoren. Sie sind konkret messbar, lassen sich in Zahlen abbilden und bieten scheinbar eine objektive Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen. Entsprechend fließen sie häufig als zentrale Kenngrößen in die strategische Planung von Unternehmen, Städten und Regionen ein. 

Zu den typischen harten Standortfaktoren zählen zum Beispiel die Verkehrsanbindung, die Nähe zu Zulieferern und Absatzmärkten, die Verfügbarkeit von Fachkräften, Steuersätze oder Gewerbeflächenpreise. Sie werden durch statistische Erhebungen, makroökonomische Kennzahlen oder Standort-Rankings wissenschaftlich ausgewertet und analysiert. Das schafft Vergleichbarkeit, erleichtert politische Argumentation und verspricht Planungssicherheit. 

Weiche Standortfaktoren: Lebensqualität als Konkurrenzvorteil

Doch mit Blick auf die sich wandelnden Anforderungen an Lebens- und Arbeitsräume reicht dieser Fokus allein nicht mehr aus. Denn: Weiche Standortfaktoren, also Aspekte wie Lebensqualität, kulturelles Angebot, soziale Offenheit, Bildungslandschaft oder Umweltqualität, spielen für die Attraktivität eines Standorts eine immer größere Rolle. Sie sind allerdings schwerer zu erfassen. Ihre Wirkung ist oft indirekt, ihre Messbarkeit eingeschränkt. Die Bezeichnung „weich“ suggeriert hierbei, dass diese in ihrer Bedeutung den „harten“ quantifizierbaren Faktoren untergeordnet seien. Das macht sie in der wirtschaftsbezogenen Analyse anfälliger für Subjektivität – und führt dazu, dass sie häufig zu wenig berücksichtigt werden.

Die „Creative Class“: Warum Talente nach Lebensstil wählen

Dabei ist ihre Bedeutung wissenschaftlich längst anerkannt. Ein prominentes Beispiel ist die Theorie der „Creative Class“ des US-amerikanischen Ökonomen Richard Florida. Er argumentiert, dass wirtschaftliche Innovationskraft zunehmend von einer kreativen, hochqualifizierten Bevölkerungsgruppe getragen wird. Diese „kreative Klasse“ sucht sich ihre Standorte nicht allein nach Löhnen oder Steuern aus, sondern achtet vor allem auf Offenheit, Vielfalt, Toleranz, kulturelle Angebote und urbane Lebensqualität. 

Fachkräftemangel und Demografie: Standorte im neuen Wettbewerb

Angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels verschärft sich der Wettbewerb um diese Zielgruppe – sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Städten und Regionen. Wer junge, kreative, gut ausgebildete Menschen anziehen und langfristig binden will, muss mehr bieten als gute Verkehrsanbindung und niedrige Gewerbesteuern. Gerade diese Gruppe legt großen Wert auf weiche Standortfaktoren – wie attraktive Freizeitmöglichkeiten, eine lebenswerte Umgebung, kulturelle Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe.

Fazit: Balance aus harten und weichen Standortfaktoren als Erfolgsrezept

Deshalb sollten weiche Standortfaktoren bei der Analyse und Weiterentwicklung eines Standortes mit gleicher Ernsthaftigkeit und Relevanz behandelt werden wie die klassischen Kennziffern. Sie sind kein nettes Beiwerk, sondern entscheidende Standortbedingungen – quantitative und qualitative Forschung sollte daher als gleichgewichtete, sich ergänzende Bausteine in die Analyse eines Wirtschaftsstandortes und in die hierauf aufbauende strategische Standortentwicklung mit einfließen. 

 

LukasDrolshagen

Lukas Drolshagen

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